Änderungsantrag: Ökologische Ausrichtung der Niedersächsischen Fischerei mit notwendigem Augenmaß betreiben – Keine pauschalen Verbote für unsere Krabben- und Muschelfischerei

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die Zukunft der Krabben- und Muschelfischerei sichern: Wissenslücken schließen, Innovationen fördern und betriebliche Investitionen unterstützen

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 19/1234

Beschlussempfehlung des  Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 19/919

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Ökologische Ausrichtung der Niedersächsischen Fischerei mit notwendigem Augenmaß betreiben – Keine pauschalen Verbote für unsere Krabben- und Muschelfischerei

Entschließung

Die Krabben- und Muschelfischerei (kurz: Küstenfischerei) hat an der deutschen Nordseeküste eine lange Tradition. Garnelen etwa werden bereits seit dem 17. Jahrhundert im deutschen Wattenmeer gefangen. In ihrer heute bekannten Form existiert die Küstenfischerei etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie ist damit im Nordseeraum einer der ältesten Zweige der Fischerei mit einer großen kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit dem Tourismus.

Nach Angaben des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gingen im Jahr 2020 noch rund 100 Krabbenkutter von Niedersachsen aus auf Fangfahrt. Mehr als 50 % der Umsätze der niedersächsischen Küstenfischerei werden im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer erzielt.

Die nachhaltige Fischerei und der Schutz der Meeresumwelt sind von entscheidender Bedeutung, um die langfristige Gesundheit unserer Ozeane zu gewährleisten. Angesichts der wachsenden Herausforderungen wie Klimawandel, Überfischung und Umweltverschmutzung ist es unerlässlich, dass wir effektive Maßnahmen ergreifen, um unsere marine Biodiversität zu erhalten und die Lebensgrundlagen der Fischereigemeinschaften und Küstengemeinden zu schützen. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Union einen Aktionsplan für die nachhaltige Fischerei und den Schutz der Meeresumwelt vorgeschlagen. Grundsätzlich begrüßt der Landtag die Intention der EU für einen verbesserten Meeresschutz sorgen zu wollen. Allerdings sind in diesem Plan teils zu kurzgegriffen, nicht regional differenzierte, Schlussfolgerungen getroffen worden, welche die niedersächsische Küstenfischerei bedrohen.

In Anbetracht dessen, dass der vorgeschlagene Aktionsplan die bedeutende Rolle der lokalen Fischereigemeinschaften und ihrer Kenntnisse bei der Entwicklung nachhaltiger Fischereipraktiken vernachlässigt, setzen wir uns nachdrücklich für eine verstärkte Einbindung dieser Gemeinschaften, genauso wie andere Akteure aus den Umweltverbänden, Meeresschutzorganisationen, Nationalparkverwaltung Wattenmeer und das NLWKN, in die Entscheidungsfindung und die Erarbeitung von Maßnahmen und Zielen ein. Eine partizipative und praxisorientierte Politikgestaltung, die auf den Erfahrungen und dem Wissen der Fischereigemeinschaften beruht, ist von entscheidender Bedeutung, um effektive und langfristig tragfähige Lösungen im Sinne der Ökologie und Ökonomie zu erreichen. Denn diese liegen auch im ureigenen Interesse der Fischerei.

Schon heute wird ein Großteil der im niedersächsischen Handel angebotenen Fischprodukteimportiert. Europäische und deutsche Standards finden dabei häufig keine Berücksichtigung. Eine regionale und nachhaltige Fischerei an Niedersachsens Küsten gilt es auch deswegen unbedingt zu erhalten.

Darüber hinaus wird im Aktionsplan die Förderung innovativer Technologien zur Verringerung der Auswirkungen der Fischerei auf die Meeresumwelt vernachlässigt. Wir sind der festen Überzeugung, dass Anreize für die Entwicklung und den Einsatz umweltfreundlicherer Fangmethoden geschaffen werden sollten. Durch die Unterstützung und Förderung von Forschung und Innovation können wir das Verständnis der marinen Ökosysteme verbessern und innovative Lösungen entwickeln, die zu einer nachhaltigen Fischerei beitragen. Ziel einer nachhaltigen Fischerei ist dabei auch, dass der immer noch viel zu hohe Beifang, insbesondere bei bodenberührender Fischerei, insgesamt reduziert werden muss. Dazu müssen selektivere Methoden weiterentwickelt und umgesetzt werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die gezielte Unterstützung kleiner Fischereibetriebe, um ihre Existenzgrundlage zu sichern und ihre sozioökonomische Bedeutung in Küstengemeinden, auch für andere Bereiche, wie bspw. den Tourismus, zu erhalten. Es bedarf spezifischer Maßnahmen, die den besonderen Bedürfnissen dieser Betriebe gerecht werden und ihre nachhaltige Entwicklung fördern. Vor diesem Hintergrund stößt die vorgesehene massive Kürzung der, im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) für die Fischerei vorgesehenen, dringend benötigten Mittel auf Unverständnis.

Darüber hinaus muss die Notwendigkeit der Einführung verbindlicher sozialer und ökologischer Kriterien für die Fischerei betont werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund eines grenzüberschreitenden Marktes und daraus resultierenden Konkurrenzsituationen. Nur durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fischerinnen und Fischer und die Einhaltung sozialer Gerechtigkeitsprinzipien sowie ökologischer Nachhaltigkeitsstandards kann die Fischereiindustrie im Einklang mit den Zielen des Umweltschutzes und der sozialen Verantwortung agieren.

Es ist bekannt, dass das Meer ein weltweit bedeutender Klimaregulator ist, der die größte Kohlenstoffsenke des Planeten darstellt. Da insbesondere die Sedimente als Speicher dienen, in die die Grundschleppnetzfischerei eingreift und diese verändert, muss dieser Faktor auch bei der Frage der Befischung im Wattenmeer Berücksichtigung finden. Hier gilt es zu klären, in wie weit die besondere Art des Meeresbodens vor den Toren Niedersachsens vergleichbar ist mit anderen Standorten und welche klimarelevanten Auswirkungen sich daraus ergeben.

In Anbetracht dieser Punkte fordern wir die EU auf, die oben genannten Forderungen zu berücksichtigen und den vorgeschlagenen Aktionsplan entsprechend zu überarbeiten. Nur durch eine ganzheitliche und ambitionierte Herangehensweise können wir eine nachhaltige Fischerei und den Schutz unserer Meeresumwelt gewährleisten.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

  1. sich weiterhin für den Erhalt der traditionsreichen Küsten- und Fischereibestände in Niedersachsen einzusetzen,
  2. die Erforschung von Technologien zur ökologisch nachhaltigen und Beifang reduzierenden Bewirtschaftung unserer Meeres- und Seegebiete weiter voranzutreiben und dabei auch unter Hinzuziehung des Zentrum Klimaforschung Niedersachsen (ZKfN) offene Fragen zu den Klimaauswirkungen zu beleuchten,
  3. die bereits für 2024 geplante regelmäßige Evaluierung der Ergebnisse von etwaigen Maßnahmen des Küstenschutzes seitens der EU mit den Akteuren vor Ort eng zu begleiten,
  4. zu prüfen, ob und wie ein Umstieg auf das Fischen mit elektrischen Impulsen über Elektroden erleichtert werden kann,
  5. Möglichkeiten zur Überwachung und Kontrolle von illegaler Fischerei auf ihre Praktikabilität hin zu überprüfen,
  6. zu prüfen ob alternative, umweltschonendere Produktions- und Fangmethoden landesseitig unterstützt werden können,
  7. die Zusammenarbeit von Fischerinnen und Fischern mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu fördern,
  8. lokale direkte Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen, wie innovative Verfahren zum Krabbenpulen, weiterhin zu fördern
  9. dem Bund gegenüber unverändert deutlich zu machen, dass eine Kürzung bei der Fischereikomponente der WindSeeG-Mittel inhaltlich abgelehnt wird.

Darüber hinaus bittet der Landtag die Landesregierung, sich weiterhin auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Interessen der örtlichen Fischereiverbände frühzeitig in Entscheidungsprozesse bezüglich der Bedingungen für die Küstenfischerei einbezogen werden und pauschalen Fangverboten für die Krabben- und Muschelfischerei eine Absage erteilt wird.

Begründung

Bundesfischereiminister Cem Özdemir hat sich daher Anfang April 2023 gegen pauschale Verbote und für eine differenzierte Betrachtung verschiedener Formen der Grundfischerei ausgesprochen. Auch die niedersächsische Fischereiministerin Miriam Staudte hat mehrfach öffentlich und vor Ort klargemacht, dass sie pauschale Fangverbote für die Küstenfischerei ablehnt. Ausdruck fand dies unter anderem in dem einstimmigen Beschluss der Agrarministerinnen und -minister der Bundesländer, die sich im Rahmen der Frühjahrs-AMK 2023 in Büsum hinter die Krabben- und Muschelfischerei stellten.

Hintergrund war u.a., dass der Plan der EU die bedeutende Rolle der lokalen Fischereigemeinschaften und ihrer Kenntnisse bei der Entwicklung nachhaltiger Fischereipraktiken vernachlässigt. Dies führt zu einer fehlenden Einbindung der Gemeinschaften in die Entscheidungsfindung, obwohl ihr Erfahrungswissen von unschätzbarem Wert ist. Eine erfolgreiche und nachhaltige Fischereipolitik erfordert jedoch die aktive Beteiligung und Einbindung dieser Gemeinschaften, die einen großen Anteil am Schutz unserer Meeresökologie haben.

Innovative Technologien, die dazu beitragen können unsere Meeresumwelt zu schützen müssen stärker gefördert werden. Durch den vorliegenden Aktionsplan der EU werden keine ausreichenden Anreize für die Entwicklung und den Einsatz umweltfreundlicherer Fangmethoden geschaffen. Mit Hilfe der Unterstützung von Forschung und Innovation könnten wir jedoch das Verständnis der marinen Ökosysteme verbessern und innovative Lösungen entwickeln, die zu einer nachhaltigen Fischerei beitragen.

Zusätzlich fehlen im EU-Plan gezielte Maßnahmen zur Unterstützung kleiner Fischereibetriebe, um ihre Existenzgrundlage zu sichern und ihre sozioökonomische Bedeutung in Küstengemeinden zu erhalten. Diese Betriebe benötigen spezifische Unterstützung, um nachhaltig wirtschaften zu können und den Fortbestand ihrer Gemeinden zu sichern.

Schließlich sollten verbindliche soziale und ökologische Kriterien für die Fischerei eingeführt werden, um sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen der Fischer verbessert werden und die Fischereiindustrie im Einklang mit sozialen Gerechtigkeitsprinzipien und ökologischer Nachhaltigkeit agiert. Ohne klare Vorgaben und Standards besteht die Gefahr, dass soziale und ökologische Aspekte vernachlässigt werden und die Nachhaltigkeit der Fischerei gefährdet wird.

Aufgrund dieser Schwachstellen und Lücken im EU-Plan zur nachhaltigen Fischerei lehnt der Landtag den bisherigen Plan entschieden ab, um auf Mängel hinzuweisen und die Forderung nach umfassenden Verbesserungen zu unterstreichen. Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz, der die lokalen Gemeinschaften einbezieht, illegale Fischerei bekämpft, innovative Technologien fördert, kleine Fischereibetriebe unterstützt und verbindliche Kriterien einführt, können wir eine nachhaltige und verantwortungsvolle Fischerei sicherstellen.

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